Wie vom Bundestag mit der Mehrheit von SPD und CDU/CSU beschlossen, tritt in Deutschland am 1. Juni 2008 ein erweiteres Jugendschutzgesetz in Kraft (wir berichteten). Die Opposition aus den Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen hat dagegen gestimmt.
Begründet wird die Gesetzesänderung explizit mit den "tragischen Ereignissen[n] in Emsdetten in November 2006" und hat eine Evaluation des Jugendschutzgesetzes und dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (beide 2003) des Hans-Bredow-Instituts zur Grundlage.
Für diese erste Novellierung hat man sich, so die SPD Fraktion, "die Punkte herausgegriffen [...], die sich unproblematisch realisieren ließen" - aus diesem Grund wurden auch die Testkäufe, die vor allem Ursula von der Leyen sehr am Herzen lagen wieder gestrichen - und vieles, vor allem der Onlinebereich, noch außen vor gelassen. Die Fraktion der CDU/CSU betont auch, dass diese Änderung erst ein Zwischenschritt sei und es sicherlich noch zu weiteren notwendigen Anpassungen kommen wird.
Die Änderungen im Einzelnen
1. Der Katalog der schwer jugendgefährdenden Trägermedien, die kraft Gesetzes indiziert sind, wird im Hinblick auf Gewaltdarstellungen erweitert.
2. Die im Gesetz genannten Indizierungskriterien in Bezug auf mediale Gewaltdarstellungen werden erweitert und präzisiert.
3. Die Mindestgröße und Sichtbarkeit der Alterskennzeichen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle werden gesetzlich festgeschrieben.
Die neu geregelten Größen der Kennzeichen der FSK und USK sollen "so groß sein, dass sie dem Verkaufspersonal und auch den Eltern ins Auge springen." Aus diesem Grund ist eine deutlich größere Fläche jetzt vorgeschrieben und auch eine Platzierung auf der Vorderseite der Medien Pflicht. Bisher war die Altersfreigabe in Deutschland fast ausschließlich auf der Rückseite zu sehen.
Wie das in der Realität aussehen wird, verdeutlicht unten stehendes Beispiel von digital-movie.de.
Weiterhin wird der Verbotskatalog für schwer jugendgefährdende Trägermedien, die kraft Gesetzes indiziert sind, um besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt, die das Geschehen beherrschen erweitert. Auch ohne explizite Indizierung durch die BPjM gibt es für entsprechende Trägermedien bereits weit reichende Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverbote.
Zuletzt wurden auch die Vorgaben für die BPjM erweitert, aufgrund welcher sie zu überprüfen haben ob ein Film oder Spiel indiziert werden muss. Als Kriterium neu hinzugekommen sind Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen, die selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder Selbstjustiz, welche als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahegelegt wird.
Gegenstimmen der Opposition
Die Fraktion der FDP lehnte dieses Gesetz ab. Von den drei Maßnahmen können sie nur die Veränderung der Kennzeichnung tendenziell begrüßen, fragen sich aber, ob dafür überhaupt ein Gesetz notwendig ist. Besonders kritisch sieht man die Erweiterung der Indizierungskriterien. "Deutschland verfüge über ein gut funktionierendes System der freiwilligen Selbstkontrolle und es sei zu befürchten, dass dieses mit der [...] Erweiterung der Indizierungskriterien konterkariert werde, denn die Aufnahme dieser Kriterien könne die freiwillige Selbstkontrolle auch überflüssig erscheinen lassen." Ebenfalls kritisieren sie, dass es sich bei der Änderung nur um einen Teilschritt handelt und der Onlinebereich ausgeklammert sei. Hier sehen sie tatsächlichen Handlungsbedarf.
Auch wurde eine wichtige Empfehlung des Hans-Bredow-Instituts, nämlich "Medienkompetenz in der Schule effektiv zu vermitteln und auch die Eltern besser zu schulen", nicht beachtet.
Die Fraktion DIE LINKE schloss sich den Ausführungen der FDP an und betont vor allem die Wichtigkeit, Medienkompetenz zu stärken. Weiterhin "hätten durchgeführte Studien bestätigt, dass im Medienbereich Verschärfungen und Verbote nicht zielführend seien. Die Regelungen zur Alterskennzeichnung schließlich würden größtenteils wirkungslos bleiben, da der hauptsächliche Vertrieb über das Internet und auch unter der Ladentheke erfolge."
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnet die jetzigen Änderungen als Schmalspurentwurf. "Die vergrößerten Altershinweise seien sicherlich sinnvoll; allerdings hätten das Hans-Bredow-Institut und andere auch eine bessere Verständlichkeit angemahnt."
Weiterhin ist man der Auffassung, "dass die bestehende Sanktionierung gewaltverherrlichender Computerspiele durch § 131 des Strafgesetzbuchs völlig ausreiche. Die neuen Gewaltbegriffe [...] seien demgegenüber zu unbestimmt." Gesetzesverschärfungen seien nicht erforderlich. Allerdings habe die Evaluation des Hans-Bredow-Instituts ergeben, dass Umsetzungs- und Kontrolldefizite bestünden. Ihnen fehlen Verfahren zur Indizierung von Telemedien, sie finden es "beschämend, dass Verstöße gegen den Jugendschutz mit kaum spürbaren Geldstrafen belegt seien" und es müsse überlegt werden, ob das Suchtpotential von Spielen bei der Alterseinstufung berücksichtigt werden soll.
Stellungnahme der FSK
Die FSK hält die bisherige Angabe der Altersfreigabe auf der Rückseite für ausreichend und sagt, dass sich diese Form in den letzten 25 Jahren bewährt hat und jeder Käufer stets die Hüllen wendet, um die Verbraucherinformationen (Filmlänge, Extras und eben auch die FSK-Freigabe) auf der Rückseite in Erfahrung zu bringen. Auch kritisieren sie, dass durch die Kennzeichnung auf der Vorderseite das häufig besonders aufwändige Artwork der Hüllen zerstört wird.
Durch die Neuregelung "entsteht zudem der Eindruck, dass nicht mehr die Information über die Altersfreigabe im Focus steht [...], vielmehr drängt sich geradezu der Vergleich mit den Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln auf. Die Information zur Altersfreigabe auf Bildträgern ist aber keinesfalls mit der unbestrittenenen Gesundheitsschädlichkeit von Zigaretten vergleichbar. Eine solche symbolische Gleichbehandlung von Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln und Alterskennzeichen auf Bildträgern erachten wir als [...] unverhältnismäßig."
Zu den Gewaltdarstellungen schreibt die FSK, dass die bereits "bestehende Unterscheidung zwischen einfacher und schwerer Jugendgefährdung [...] in der Prüfpraxis schon jetzt zu einem erheblichen Abgrenzungsaufwand" führt und "bei der FSK sehr sorgfältig vorgenommen wird." "Der Bereich Gewaltdarstellungen im Rahmen des gegenwärtigen gesetzlichen Beurteilungsspielraums kontinuierlich als maßgeblicher Schwerpunkt behandelt."
Anmerkung: Die FSK darf Filmen mit schwerer Jugendgefährdung im Kino keine Freigabe erteilen. Für die DVD-Auswertung dürfen sie auch Filme mit leichter Jugendgefährdung nicht kennzeichnen. Inhaltliche Begründungen und Begrifflichkeiten findet man auf der Seite der FSK. Darf keine FSK-Freigabe vergeben werden, kann ein Gutachten der SPIO/JK eingeholt werden.
Die FSK sieht "für eine weitere gesetzliche Ausdifferenzierung des bereits komplex geregelten - im europäischen Vergleich - sehr hohen Schutzniveaus [...] keinerlei Bedarf. Die Einführung eines weiteren unbestimmten Rechtsbegriffes der 'Gewaltbeherrschtheit' würde lediglich ein zusätzliches auslegungsbedürftiges Kriterium schaffen. Zu größerer Bestimmtheit in der Prüfpraxis würde der Gesetzesvorschlag nicht führen.
So hat auch der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates angemerkt, dass die Einführung des vorgeschlagenen Begriffs zur Rechtsunsicherheit führen würde, weil er zu interpretationsfähig und subjektiv geprägt sei.
"In der jahrzehntelangen Spruchpraxis der FSK hat sich außerordentlich bewährt, Filme als integrale Werke in Bezug auf ihre Gesamtwirkung zu beurteilen. [...] Deshalb halten wir es in keiner Weise für angemessen, Filme einer quantitativen und kontextlosen Beurteilung von Gewaltsequenzen zu unterziehen, wie es der Kabinettsbeschluss beabsichtigt.
Wie viele Minuten eines Film dürfen oder müssten Gewalt zeigen, damit er als 'von Gewalt beherrscht' beurteilt würde? Wie wäre die Brechung, die kritische Darstellung von Gewalt oder ihre Reflexion quantitativ zu beurteilen? Bei Antikriegsfilmen und kriegsverherrlichenden Filmen z.B. würde eine quantitative Beurteilung des Gewaltgehaltes notwendigerweise ins Leere laufen, weil beide Genres Gewalt zeigen, dies aber mit vollkommen unterschiedlicher Intention."
Die FSK kritisiert auch die neuen Entscheidungskriterien für eine Indizierung, da sie zum einen bereits lange Spruchpraxis der FSK sind und auch regelmäßige Gespräche zwischen FSK, den Ständigen Vertretern der obersten Landesjugendbehörden bei der FSK und der BPjM statt finden. Auch können die Prüfer "nachvollziehbarer- und legitimerweise" zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. "Eine Prüfung aufgrund eines objektiven Kriterienkatalogs, bei der Tatbestände 'abgehakt' würden, ist nicht möglich."
Die FSK betont auch noch, dass der Gesetzgeber "bisher bewusst und sachgerecht den Beurteilungsspielraum bei den zuständigen Gremien der FSK und der BPjM belassen" hat.
Die FSK nimmt auch noch einmal zum bereits seit 2003 kritisierten Problemen bei öffentlichen Vorführungen Stellung, die hier weniger relevant sind.
Jugendschutzgesetz
Angezeigt werden nur die betroffenen Stellen. Die fett markierten roten Stellen sind neu hinzugekommen.
§ 12 Bildträger mit Filmen oder Spielen
(1) ...
(2) Auf die Kennzeichnungen nach Absatz 1 ist auf dem Bildträger und der Hülle mit einem deutlich sichtbaren Zeichen hinzuweisen. Das Zeichen ist auf der Frontseite der Hülle links unten einer Fläche von mindestens 1200 Quadratmillimetern und dem Bildträger auf einer Fläche von mindestens 250 Quadratmillimetern anzubringen. Die oberste Landesbehörde kann
1. Näheres über Inhalt, Größe, Form, Farbe und Anbringung der Zeichen anordnen und
2. Ausnahmen für die Anbringung auf dem Bildträger oder der Hülle genehmigen.
Anbieter von Telemedien, die Filme, Film- und Spielprogramme verbreiten, müssen auf eine vorhandene Kennzeichnung in ihrem Angebot deutlich hinweisen.
(3) - (4)
§ 15 Jugendgefährdende Trägermedien
(1) ...
(2) Den Beschränkungen des Absatzes 1 unterliegen, ohne dass es einer Aufnahme in die Liste und einer Bekanntmachung bedarf, schwer jugendgefährdende Trägermedien, die
1. einen der in § 86, § 130, § 130a, § 131, § 184, § 184a oder § 184b des Strafgesetzbuches bezeichneten Inhalte haben,
2. den Krieg verherrlichen,
3. Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt,
3a. besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen,
4. Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen oder
5. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.
(3) - (6)
§ 18 Liste jugendgefährdender Medien
(1) Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, sind von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien sowie Medien, in denen
1. Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder
2. Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe gelegt wird.
(2) - ( 8 )
Weitere Änderungen in den Gesetzen, die sich nur auf Verweise beziehen werden nicht erwähnt.
In einem neuen § 29a ist eine weitere Übergangsregel formuliert, welche es erlaubt, das Bildträger mit alter Kennzeichnung bis zum 31. August 2008 in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Schlussbemerkung
Was die Bundesregierung mit dieser Erweiterung bezweckt, ist klar. Sie möchten mehr Filme und Spiele leichter und schneller aus den Verkehr ziehen können. Man hat den Amoklauf eines Schülers als Steilvorlage genutzt und sich dann zum Schutz der Jugend nur die "Punkte herausgegriffen [...], die sich unproblematisch realisieren ließen". Zynischer geht es eigentlich kaum. Die Opposition u.a. spricht mehrere Punkte an, die es im Rahmen eines neuen Jugendschutzgesetzes abzuarbeiten gilt, aber scheinbar wäre das für die Regierung zu mühsam - man schiebt es vor sich her. Stattdessen verkompliziert man durch ungeschickte Wortwahl die ohnehin schon ungenau Gesetzeslage und versucht der FSK und BPjM völlig neue Bewertungsmaßstäbe aufzudrücken, die leicht dazu führen können, das die falschen Filme aus den Händlerregalen verschwinden werden.
Die große Koalititon bleibt auch hier ihrer Devise treu, nur sehr oberflächlich und ohne Rücksicht auf Verluste Gesetze zu verabschieden und ja alle kniffligen Entscheidungen vermeiden.
Dass man manche DVD demnächst besser in einem Schuhkarton unterm Bett versteckt und nicht mehr stolz ins Regal stellt, ist wohl absehbar, aber welche Auswirkungen die neue Regelung jetzt auf erwachsene Filmfreunde hat ist noch nicht ganz absehbar. Selbst die FSK, ist sich noch nicht so recht im Klaren darüber, was das ganze jetzt soll. Es ist wohl also zu befürchten, dass man in nächster Zeit erst einmal auf Nummer Sicher geht, bevor man ausreichend Erfahrungen sammeln konnte.
Während sich die Situation nach der letzten Reform im Jahre 2003 für den Konsumenten und auch die Verleiher größtenteils verbesserte, dürfte es ab dem 1. Juni allen hier etwas schlechter gehen.
Quelle: Schnittberichte
Begründet wird die Gesetzesänderung explizit mit den "tragischen Ereignissen[n] in Emsdetten in November 2006" und hat eine Evaluation des Jugendschutzgesetzes und dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (beide 2003) des Hans-Bredow-Instituts zur Grundlage.
Für diese erste Novellierung hat man sich, so die SPD Fraktion, "die Punkte herausgegriffen [...], die sich unproblematisch realisieren ließen" - aus diesem Grund wurden auch die Testkäufe, die vor allem Ursula von der Leyen sehr am Herzen lagen wieder gestrichen - und vieles, vor allem der Onlinebereich, noch außen vor gelassen. Die Fraktion der CDU/CSU betont auch, dass diese Änderung erst ein Zwischenschritt sei und es sicherlich noch zu weiteren notwendigen Anpassungen kommen wird.
Die Änderungen im Einzelnen
1. Der Katalog der schwer jugendgefährdenden Trägermedien, die kraft Gesetzes indiziert sind, wird im Hinblick auf Gewaltdarstellungen erweitert.
2. Die im Gesetz genannten Indizierungskriterien in Bezug auf mediale Gewaltdarstellungen werden erweitert und präzisiert.
3. Die Mindestgröße und Sichtbarkeit der Alterskennzeichen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle werden gesetzlich festgeschrieben.
Die neu geregelten Größen der Kennzeichen der FSK und USK sollen "so groß sein, dass sie dem Verkaufspersonal und auch den Eltern ins Auge springen." Aus diesem Grund ist eine deutlich größere Fläche jetzt vorgeschrieben und auch eine Platzierung auf der Vorderseite der Medien Pflicht. Bisher war die Altersfreigabe in Deutschland fast ausschließlich auf der Rückseite zu sehen.
Wie das in der Realität aussehen wird, verdeutlicht unten stehendes Beispiel von digital-movie.de.
Weiterhin wird der Verbotskatalog für schwer jugendgefährdende Trägermedien, die kraft Gesetzes indiziert sind, um besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt, die das Geschehen beherrschen erweitert. Auch ohne explizite Indizierung durch die BPjM gibt es für entsprechende Trägermedien bereits weit reichende Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverbote.
Zuletzt wurden auch die Vorgaben für die BPjM erweitert, aufgrund welcher sie zu überprüfen haben ob ein Film oder Spiel indiziert werden muss. Als Kriterium neu hinzugekommen sind Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen, die selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder Selbstjustiz, welche als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahegelegt wird.
Gegenstimmen der Opposition
Die Fraktion der FDP lehnte dieses Gesetz ab. Von den drei Maßnahmen können sie nur die Veränderung der Kennzeichnung tendenziell begrüßen, fragen sich aber, ob dafür überhaupt ein Gesetz notwendig ist. Besonders kritisch sieht man die Erweiterung der Indizierungskriterien. "Deutschland verfüge über ein gut funktionierendes System der freiwilligen Selbstkontrolle und es sei zu befürchten, dass dieses mit der [...] Erweiterung der Indizierungskriterien konterkariert werde, denn die Aufnahme dieser Kriterien könne die freiwillige Selbstkontrolle auch überflüssig erscheinen lassen." Ebenfalls kritisieren sie, dass es sich bei der Änderung nur um einen Teilschritt handelt und der Onlinebereich ausgeklammert sei. Hier sehen sie tatsächlichen Handlungsbedarf.
Auch wurde eine wichtige Empfehlung des Hans-Bredow-Instituts, nämlich "Medienkompetenz in der Schule effektiv zu vermitteln und auch die Eltern besser zu schulen", nicht beachtet.
Die Fraktion DIE LINKE schloss sich den Ausführungen der FDP an und betont vor allem die Wichtigkeit, Medienkompetenz zu stärken. Weiterhin "hätten durchgeführte Studien bestätigt, dass im Medienbereich Verschärfungen und Verbote nicht zielführend seien. Die Regelungen zur Alterskennzeichnung schließlich würden größtenteils wirkungslos bleiben, da der hauptsächliche Vertrieb über das Internet und auch unter der Ladentheke erfolge."
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnet die jetzigen Änderungen als Schmalspurentwurf. "Die vergrößerten Altershinweise seien sicherlich sinnvoll; allerdings hätten das Hans-Bredow-Institut und andere auch eine bessere Verständlichkeit angemahnt."
Weiterhin ist man der Auffassung, "dass die bestehende Sanktionierung gewaltverherrlichender Computerspiele durch § 131 des Strafgesetzbuchs völlig ausreiche. Die neuen Gewaltbegriffe [...] seien demgegenüber zu unbestimmt." Gesetzesverschärfungen seien nicht erforderlich. Allerdings habe die Evaluation des Hans-Bredow-Instituts ergeben, dass Umsetzungs- und Kontrolldefizite bestünden. Ihnen fehlen Verfahren zur Indizierung von Telemedien, sie finden es "beschämend, dass Verstöße gegen den Jugendschutz mit kaum spürbaren Geldstrafen belegt seien" und es müsse überlegt werden, ob das Suchtpotential von Spielen bei der Alterseinstufung berücksichtigt werden soll.
Stellungnahme der FSK
Die FSK hält die bisherige Angabe der Altersfreigabe auf der Rückseite für ausreichend und sagt, dass sich diese Form in den letzten 25 Jahren bewährt hat und jeder Käufer stets die Hüllen wendet, um die Verbraucherinformationen (Filmlänge, Extras und eben auch die FSK-Freigabe) auf der Rückseite in Erfahrung zu bringen. Auch kritisieren sie, dass durch die Kennzeichnung auf der Vorderseite das häufig besonders aufwändige Artwork der Hüllen zerstört wird.
Durch die Neuregelung "entsteht zudem der Eindruck, dass nicht mehr die Information über die Altersfreigabe im Focus steht [...], vielmehr drängt sich geradezu der Vergleich mit den Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln auf. Die Information zur Altersfreigabe auf Bildträgern ist aber keinesfalls mit der unbestrittenenen Gesundheitsschädlichkeit von Zigaretten vergleichbar. Eine solche symbolische Gleichbehandlung von Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln und Alterskennzeichen auf Bildträgern erachten wir als [...] unverhältnismäßig."
Zu den Gewaltdarstellungen schreibt die FSK, dass die bereits "bestehende Unterscheidung zwischen einfacher und schwerer Jugendgefährdung [...] in der Prüfpraxis schon jetzt zu einem erheblichen Abgrenzungsaufwand" führt und "bei der FSK sehr sorgfältig vorgenommen wird." "Der Bereich Gewaltdarstellungen im Rahmen des gegenwärtigen gesetzlichen Beurteilungsspielraums kontinuierlich als maßgeblicher Schwerpunkt behandelt."
Anmerkung: Die FSK darf Filmen mit schwerer Jugendgefährdung im Kino keine Freigabe erteilen. Für die DVD-Auswertung dürfen sie auch Filme mit leichter Jugendgefährdung nicht kennzeichnen. Inhaltliche Begründungen und Begrifflichkeiten findet man auf der Seite der FSK. Darf keine FSK-Freigabe vergeben werden, kann ein Gutachten der SPIO/JK eingeholt werden.
Die FSK sieht "für eine weitere gesetzliche Ausdifferenzierung des bereits komplex geregelten - im europäischen Vergleich - sehr hohen Schutzniveaus [...] keinerlei Bedarf. Die Einführung eines weiteren unbestimmten Rechtsbegriffes der 'Gewaltbeherrschtheit' würde lediglich ein zusätzliches auslegungsbedürftiges Kriterium schaffen. Zu größerer Bestimmtheit in der Prüfpraxis würde der Gesetzesvorschlag nicht führen.
So hat auch der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates angemerkt, dass die Einführung des vorgeschlagenen Begriffs zur Rechtsunsicherheit führen würde, weil er zu interpretationsfähig und subjektiv geprägt sei.
"In der jahrzehntelangen Spruchpraxis der FSK hat sich außerordentlich bewährt, Filme als integrale Werke in Bezug auf ihre Gesamtwirkung zu beurteilen. [...] Deshalb halten wir es in keiner Weise für angemessen, Filme einer quantitativen und kontextlosen Beurteilung von Gewaltsequenzen zu unterziehen, wie es der Kabinettsbeschluss beabsichtigt.
Wie viele Minuten eines Film dürfen oder müssten Gewalt zeigen, damit er als 'von Gewalt beherrscht' beurteilt würde? Wie wäre die Brechung, die kritische Darstellung von Gewalt oder ihre Reflexion quantitativ zu beurteilen? Bei Antikriegsfilmen und kriegsverherrlichenden Filmen z.B. würde eine quantitative Beurteilung des Gewaltgehaltes notwendigerweise ins Leere laufen, weil beide Genres Gewalt zeigen, dies aber mit vollkommen unterschiedlicher Intention."
Die FSK kritisiert auch die neuen Entscheidungskriterien für eine Indizierung, da sie zum einen bereits lange Spruchpraxis der FSK sind und auch regelmäßige Gespräche zwischen FSK, den Ständigen Vertretern der obersten Landesjugendbehörden bei der FSK und der BPjM statt finden. Auch können die Prüfer "nachvollziehbarer- und legitimerweise" zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. "Eine Prüfung aufgrund eines objektiven Kriterienkatalogs, bei der Tatbestände 'abgehakt' würden, ist nicht möglich."
Die FSK betont auch noch, dass der Gesetzgeber "bisher bewusst und sachgerecht den Beurteilungsspielraum bei den zuständigen Gremien der FSK und der BPjM belassen" hat.
Die FSK nimmt auch noch einmal zum bereits seit 2003 kritisierten Problemen bei öffentlichen Vorführungen Stellung, die hier weniger relevant sind.
Jugendschutzgesetz
Angezeigt werden nur die betroffenen Stellen. Die fett markierten roten Stellen sind neu hinzugekommen.
§ 12 Bildträger mit Filmen oder Spielen
(1) ...
(2) Auf die Kennzeichnungen nach Absatz 1 ist auf dem Bildträger und der Hülle mit einem deutlich sichtbaren Zeichen hinzuweisen. Das Zeichen ist auf der Frontseite der Hülle links unten einer Fläche von mindestens 1200 Quadratmillimetern und dem Bildträger auf einer Fläche von mindestens 250 Quadratmillimetern anzubringen. Die oberste Landesbehörde kann
1. Näheres über Inhalt, Größe, Form, Farbe und Anbringung der Zeichen anordnen und
2. Ausnahmen für die Anbringung auf dem Bildträger oder der Hülle genehmigen.
Anbieter von Telemedien, die Filme, Film- und Spielprogramme verbreiten, müssen auf eine vorhandene Kennzeichnung in ihrem Angebot deutlich hinweisen.
(3) - (4)
§ 15 Jugendgefährdende Trägermedien
(1) ...
(2) Den Beschränkungen des Absatzes 1 unterliegen, ohne dass es einer Aufnahme in die Liste und einer Bekanntmachung bedarf, schwer jugendgefährdende Trägermedien, die
1. einen der in § 86, § 130, § 130a, § 131, § 184, § 184a oder § 184b des Strafgesetzbuches bezeichneten Inhalte haben,
2. den Krieg verherrlichen,
3. Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt,
3a. besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen,
4. Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen oder
5. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.
(3) - (6)
§ 18 Liste jugendgefährdender Medien
(1) Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, sind von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien sowie Medien, in denen
1. Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder
2. Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe gelegt wird.
(2) - ( 8 )
Weitere Änderungen in den Gesetzen, die sich nur auf Verweise beziehen werden nicht erwähnt.
In einem neuen § 29a ist eine weitere Übergangsregel formuliert, welche es erlaubt, das Bildträger mit alter Kennzeichnung bis zum 31. August 2008 in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Schlussbemerkung
Was die Bundesregierung mit dieser Erweiterung bezweckt, ist klar. Sie möchten mehr Filme und Spiele leichter und schneller aus den Verkehr ziehen können. Man hat den Amoklauf eines Schülers als Steilvorlage genutzt und sich dann zum Schutz der Jugend nur die "Punkte herausgegriffen [...], die sich unproblematisch realisieren ließen". Zynischer geht es eigentlich kaum. Die Opposition u.a. spricht mehrere Punkte an, die es im Rahmen eines neuen Jugendschutzgesetzes abzuarbeiten gilt, aber scheinbar wäre das für die Regierung zu mühsam - man schiebt es vor sich her. Stattdessen verkompliziert man durch ungeschickte Wortwahl die ohnehin schon ungenau Gesetzeslage und versucht der FSK und BPjM völlig neue Bewertungsmaßstäbe aufzudrücken, die leicht dazu führen können, das die falschen Filme aus den Händlerregalen verschwinden werden.
Die große Koalititon bleibt auch hier ihrer Devise treu, nur sehr oberflächlich und ohne Rücksicht auf Verluste Gesetze zu verabschieden und ja alle kniffligen Entscheidungen vermeiden.
Dass man manche DVD demnächst besser in einem Schuhkarton unterm Bett versteckt und nicht mehr stolz ins Regal stellt, ist wohl absehbar, aber welche Auswirkungen die neue Regelung jetzt auf erwachsene Filmfreunde hat ist noch nicht ganz absehbar. Selbst die FSK, ist sich noch nicht so recht im Klaren darüber, was das ganze jetzt soll. Es ist wohl also zu befürchten, dass man in nächster Zeit erst einmal auf Nummer Sicher geht, bevor man ausreichend Erfahrungen sammeln konnte.
Während sich die Situation nach der letzten Reform im Jahre 2003 für den Konsumenten und auch die Verleiher größtenteils verbesserte, dürfte es ab dem 1. Juni allen hier etwas schlechter gehen.
Quelle: Schnittberichte
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