Linkin Park - Die Band ist tot. Es lebe die Band!
Linkin Park-Liebhaber und -Hasser aller Länder vereinigt euch: Mit ‘A Thousand Suns‘ dringen die sechs Alternativrocker aus dem Sonnenstaat in eine neue Sound-Dimension vor. Endlich.
Mal ganz ehrlich: Wer braucht ein neues Linkin Park-Album? Seit ‘Hybrid Theory‘ vor mittlerweile zehn Jahren haben sich die einstigen Nu-Metal-Profiteure innovationstechnisch schließlich eher im Weinbergschneckentempo voran bewegt. Klar, immer fetter wurden die Konzerte und immer mehr Platten gingen über die Theke, doch nur allzu oft ist ja gerade das Beleg dafür, dass eine Band im anspruchslosen Mainstream angekommen ist und dort auch auf den nächsten zehn Alben überwintern wird.
Überraschung Nummer Eins: ‘A Thousand Suns‘ ist ein Hammer. Überraschung Nummer Zwei: Im Interview erweisen sich Bassmann David ‘Phoenix‘ Farrell und Rap-Mastermind Mike Shinoda als zwei unglaublich dufte Typen, die – im Gegensatz zu einigen ihrer Bandkollegen – obendrein die hohe Kunst der Konversation beherrschen. „Uns ist absolut klar, dass du uns hier und jetzt ein ‘Jungs, netter Versuch, aber das Album ist scheiße’ an den Kopf schmettern könntest“, macht Shinoda schon mal sämtliche Flanken für ein Kritik-Feuergefecht frei. „Das wäre eine zulässige Meinung. Wir wollten aber auf keinen Fall die sichere Karte spielen und uns daran orientieren, was für ein Album die Leute von uns erwarten. Stattdessen wollten wir superkreativ sein und uns nicht darum scheren, was Linkin Park angeblich für eine Band sein soll, was das Radio haben will und wie die kommerziellen Aspekte aussehen. Wenn das alles funktioniert – gut. Wenn nicht – egal.“
Das klingt natürlich erst mal hehr, kann letzten Endes aber nur aus dem Mund eines Künstlers kommen, der seine Hammel mit einer Batzillion verkaufter Platten bereits ins Trockene gebracht hat. Was natürlich nichts daran ändert, dass man sich freuen darf, dass Linkin Park endlich ihrem engen Sound-Mieder entstiegen sind und den Motor noch mal neu gestartet haben. Eine künstlerische Wiedergeburt, die sie im Booklet des Albums dann so beschreiben: „Monatelang hatten wir unsere Band zerstört und wieder aufgebaut. Die zwei Jahre, die wir an ‘A Thousand Suns’ gearbeitet haben, waren unsere berauschende, surrealistische und oftmals herausfordernde Reise ins kreative Ungewisse. Amorphe Echos, kakophonische Samples und handgemachtes Stakkato verschmolzen zu flüchtiger Melodie. Jeder Track fühlte sich an wie eine Halluzination.“ Zerstört und wieder aufgebaut – das klingt ja fast so, als hätte der Fortbestand der Band während dieses Prozesses tatsächlich mal zur Disposition gestanden. „Äh, nein“, wiegelt Shinoda lachend ab. „Wäre für dich jetzt natürlich eine super Story: ‘Linkin Park hatten sich aufgelöst, in meinem Interview reden sie zum ersten Mal darüber!’ Aber sorry, so war es nicht. Damit ist gemeint, dass wir uns zu sechst entschlossen haben, ein Album zu erschaffen, das keine Grenzen mehr hat. Ich habe damals die Fort Minor-Solo-Geschichte gemacht, weil ich dachte, dass diese Songs nicht in die Definition dessen passen, was Linkin Park ist. Heute ist das anders: Mit ‘A Thousand Suns’ haben wir unseren eigenen Kosmos so weit ausgedehnt, dass wir jede auch noch so ungewöhnliche Idee problemlos in unseren Sound integrieren können.“
Das Ergebnis gibt den sechs kalifornischen Grünanlagenmusikanten Recht und wird sie sowohl künstlerisch als auch kommerziell auf ein neues Level torpedieren. Wenn’s nicht so schmierig klänge, könnte man sagen: „Linkin Park sind endlich erwachsen geworden.“ Ach, was soll’s, ein wenig Schmiere hat noch nie geschadet: Linkin Park sind endlich erwachsen geworden. Heureka!
Text: Ben Foitzik
Heimat: linkinpark.de
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