"You either die a hero, or live long enough to see yourself become the villain.“
(Harvey Dent, "The Dark Knight“)
Lieber Mats, ich nehme an, du warst nicht sonderlich überrascht über den Massentinnitus auf der Südtribüne gestern, oder?
Echte enttäuschte Liebe.
Trotzdem uncool, den eigenen Spieler auszupfeifen.
War es das wert?
Jeder darf wechseln, aber doch nicht Du, Mats.
Ich bin offen gestanden etwas überrascht, dass die Vereinsführung so rational mit der ganzen Geschichte umgeht und das ganze kommentiert wie einen Quartalsbericht.
Für mich ist dein Transfer die Mona Lisa im Louvre der Wechselschande. Vergiss Götze, vergiss Lewandowski, Gündogan.
Klar, der rationale Teil in mir versteht, was Du da tust.
Deine Familie lebt in München, Freunde, Deine Frau gehört dahin.
Wir müssen auch nicht darüber diskutieren, dass in puncto Schönheit, Esskultur, Nachtleben München, naja, sagen wir mal, einen Tick besser ist als Dortmund.
Ich glaube übrigens nicht, dass es dir ums Geld geht.
Zehn Millionen, neun oder sieben, das ist bei jemandem, der in deiner Preisklasse liegt, eigentlich nicht mehr wichtig.
Dir geht es nicht um die Kohle.
Du willst das Titel-Abo, Meister werden, Champions League.
Eine Restlaufzeit voll garantierter Highlights.
Kein dämliches Ausscheiden. Kein Zugucken, wenn andere den Pott stemmen.
Weil die Trottel in der eigenen Elf die simpelsten Sachen vergeigen.
Ich kann mir vorstellen, dass es frustrierend ist, mit dieser satten Punktzahl trotzdem mit fünf Punkten Abstand nur Zweiter zu werden.
"Bester Zweiter aller Zeiten".
So wertvoll wie ein erste Klasse- Ticket für den Regionalexpress.
Eigentlich ein Witz.
Dann diese Scheiße mit Liverpool in der Europa League.
Ist es da gekippt?
Was hat Dich bloß so ruiniert?
Du warst doch derjenige, der Götze gefaltet hat, als er nach München gewechselt ist. Der behauptet hat, man müsse nicht zwingend Champions League Sieger sein, um glücklich zu werden.
Aber wenn man 28 wird, hört man die biologische Uhr möglicherweise doch noch mal ticken.
Midlife Crisis. Keine Zeit für Heldentaten.
Vielleicht hat es die Dortmunder Vereinsführung auch versäumt, dir zu signalisieren, dass der BVB jetzt noch mal den Angriff startet, richtig was investiert, im nächsten Jahr noch stärker wird.
Sie waren womöglich nicht überzeugend genug.
Und das ist so unglaublich frustrierend.
Fehlt eigentlich nur noch, dass Watzke verkündet:
"Hey, Fans! Okay, wir werden Hummels für nur 10 Millionen verkaufen. Aber dafür verrechnen wir es mit: der Rückkehr von....
.... Götze! Tadaa! Wie geil ist das denn?!"
Dann haben wir Maikrawalle bis in den September hinein.
Sind ein paar mehr Titel im Wikipedia-Eintrag sexier als eine Vereinslegende zu werden?
The last man standing.
Nicht? Nein? Vielleicht bin ich da auch zu romantisch.
Guck Dir Clemens Fritz von Bremen an. Der hängt wider seine Planung noch ein Jahr als Kapitän dran, weil er den Verein in dieser beschissenen Situation nicht verlassen will.
Ein schwaches Morsesignal von Klasse in einer Branche, in der das Treuebekenntnis eines Bundesligaprofis in etwa so viel gilt wie das vollste Vertrauen der Kanzlerin oder die Abgaswerte vom VW.
Ja, der Fußball ist eine Schweinebranche, das haben wir schon länger geahnt – aber ich hätte mir gewünscht, dass nicht Du derjenige sein würdest, der es eindrucksvoll beweist.
Gerade jetzt, da der Dampfer BVB wieder richtig Fahrt aufgenommen hat, macht ausgerechnet Kapitän Hummels den Schettino und legt das Ding auf Seite.
Barcelona. Madrid. Manchester.
Wäre alles gegangen. Hätten wir ertragen.
München? Hart.
Han Solo zieht sich nicht einfach das schwarze Leibchen an und wechselt zum Todesstern.
You´ll never walk alone? Ich fürchte, doch.
Verdammt noch mal, Mats, Du weißt doch, wie Rummenigge und Co. in München jetzt die Gonaden anschwellen.
"Siehste, am Ende kriegen wir eben doch jeden!"
Dieselben, die öffentlich stets um eine spannende Liga bangen, hauen nach der Offensive dem immer noch nicht toten Mitbewerber jetzt auch noch die Defensive kaputt.
(Dass eine Innenverteidigung mit Boateng und Hummels in Sachen Identität und Stabilität für die Bayern ein sinnvoller Transfer ist, ist unstrittig.)
München. Das tut am meisten weh.
Das Lachen der Anderen.
Musste das sein?
Sportlich ist das alles nachvollziehbar, gewiss.
Doch dieser Wechsel ist nicht nur ein Wechsel.
Dieser Wechsel ist ein Statement.
Als Gangleader der eben noch zuckenden Konkurrenz ist es:
Eine Kapitulation.
Mats ab.
P.S.: Der Verfasser dieser Zeilen bekennt sich zu seiner Enttäuschung, dankt dem großartigen Sportler und Menschen dafür, dass er diesem Verein seine besten Jahre geschenkt hat, mitgeholfen hat, den BVB zu dem zu machen, was er jetzt ist - und wünscht ihm eine gute Zeit in München.