Der zweite Teil macht wenig neu, merzt die Schwächen des Vorgängers meiner Meinung nach jedoch weitgehend aus. Die Story ist zwar immer noch sehr dünn und manchmal echt fragwürdig, dafür interpretiert diese die nordische Mythologie und Sagenwelt rund um Ragnarök gekonnt neu, anstatt diese nur in irgendwelchen Schreinen nachzuerzählen.
Wer die Geschichte rund um Ragnarök ein bisschen kennt, sollte hier die Darstellung Lokis, Angrbodas und Co. zu würdigen wissen. Die Charaktere stehen erneut im Fokus der Geschichte und wagen es diesmal, ein größeres Ensemble zu versammeln, als im ersten Teil. Dadurch verliert der Teil zwar im Gegensatz zum ersten ein wenig an Fokus, ist dafür aber einfach vielschichtiger.
Die Meta-Ebene rund um Vertrauen, Schicksal, Entscheidungen und freien Willen fand ich auch sehr überzeugend. Hier kommt die Geschichte zwar nicht ohne billige emotionale Beeinflussungen aus (Fenrier, Thor/Thrut) aber jede Erzählung beeinflusst auf die eine oder andere Weise unsere Empfindungen.
Ein paar unnötige "MacGuffins" wie die olle Maske und das ständige, Gerenne von A zu B zu C zu A sind leider wirklich fragwürdig. Dadurch wird das Spiel und die Geschichte für mich jedoch nicht uninteressant, weil es durch wechselnde Begleiter, Charakterentwicklungen und Geschichten von Mimir oder den Schriftrollen dieses Mal wirklich Lore gab, die es zu genießen galt.
Und endlich machte das RPG-Gedöns Sinn. Ich habe gleich auf den zweithöchsten Schwierigkeitsgrad begonnen und mich immer gefreut, wenn die Bestienknochen oder die Asgardbarren ausreichten, um die Lieblingsrüstung zu verstärken oder eine neue Fähigkeit zu erlenen. Dadurch wurde das bereits gute Kampfsystem des Erstlings mMn sehr gut ergänzt und auch in den, zugegeben, zu vielen Kämpfen nie eintönig. Nur schade, dass es hier keine wirklich neuen Runenangriffe oder Attacken gab. Als hätte Kratos alle seine Fähigkeiten aus dem ersten Teil vergessen. Was ein Glück, dass ich den ersten Teil vorab nicht noch einmal gespielt habe.
Zum Punkto Abwechslung erinnere ich mich beim zweiten Teil im Nachhinein an sehr viel mehr epische oder kurzweilige Abschnitte als im Ersten:
- Das Versteckspiel mit Angrbodas Oma
- Die Loren in Svartalfheim
- Der Kampf gegen Gram
- Das ruhige Erkunden Jothunheims
- Die mauer Asgards
- Die Schlittenfahrten in Midgard
- Die Flucht mit Freyer nach Heimdals Tod
- Der Besuch bei den Nornen
- Die Kneipenschlägerei in Asgard
- Die Inszenierung Ragnaröks
Hierbei gab es überall ein paar Gameplaykniffe die alle nicht revolutionär aber solide umgesetzt worden sind und das repetitive Gameplay aufgelockert haben. Daran erinnert man sich halt weniger, wenn diese Moment eben nur 5 % der Gesamtspielzeit ausmachten aber es waren dann immer noch 5 %-punkte mehr als beim Erstling. Leider war das Rätseldesign an dieser Stelle sehr gewöhnlich und wurde zu sehr kopiert.
Und wie genial war denn bitte das nördliche Gebiet Vanaheims???? Mit Abstand mein Lieblingsgebiet mit dem Tag/Nachtwechsel, den Wunschbrunnen, den Drachenjagden und der generellen Levelarchitektur. Absolut stimmig, abwechslungsreich und motivierend. Ich wollte nur mal kurz reingucken und war dann erstmal 6 Stunden gefesselt. Gerne mehr davon!
Die Technik ist erkennbar auf PS4- Niveau, zweigt jedoch immer wieder atemberaubende Partikeleffekte und Vistas innerhalb der neun Welten, mit abwechslungsreichen Biomen.
Ich glaube ich könnte ewig so weiter Gutes gegen Negatives abwägen und würde am Ende nur erkennen, wie vielseitig und vollgepackt das Spiel am Ende geworden ist. Dass da nicht alle Gold ist, was glänzt ist für mich verschmerzbar.
Ich kann jedem verstehen, der die Story zu dünn, das Kämpfen als zu häufig und die Rätsel zu einfallslos empfand aber für mich ist der zweite Teil deutlich besser als der Erste, da er einfach mehr wagt und die vorhandenen Schwächen durch seine fulminant inszenierten Momente wieder ausgleicht.