Bericht von Maniac:
Ich hatte heute einen tollen Tag mit meinem Kollegen Matthias in Los Angeles. Wir haben die kalifornische Metropole erkundet, Zockerläden unsicher gemacht und ausgiebig geshoppt. Und wir waren auf der Weltpremiere von Project Natal, das jetzt Kinect heißt. Doch halt: Hier endete mein toller Tag, dabei fing alles ganz vielversprechend an. Wir fuhren mit dem Bus zum Galen Center, wo ringsherum Polizei und Sicherheitskräfte die Straßen abgesperrt hatten. Vom Bus aus konnten wir schon eine gigantische Menschenmenge sehen, die den Vergleich mit Hollywoods Filmpremieren nicht scheuen musste. Selbst Entwicklergrößen wie Hideo Kojima waren zugegen, den wir artig grüßten. Unterdessen las vor mir Tomonobu Itagaki E-Mails auf seinem iPhone, grüßte wiederum mich artig und wartete brav auf den Einlass.
Bereits vor der Halle wiesen Microsofts Stimmungsmacher die Anwesenden an, kräftig für die Kamera zu jubeln. Wie unpassend, weshalb wir uns auf Professionalität besannen und zielstrebig das Galen Center betraten. Drinnen der erste Schock: Fotoapparate und Kameras waren verboten, bei Zuwiderhandlung drohte Microsoft die Konfiszierung der Ausrüstung sowie Platzverweis an. Weshalb waren wir als Pressevertreter nochmal gekommen? Ein Rätsel, das den nächsten Schock überdauerte: Die anwesenden Gäste wurden aufgefordert, weiße Kutten überzustreifen, die mit ausladenden Schulterpolstern den Eindruck Football spielender Gespenster weckten. Warum? Das konnte und wollte mir niemand verraten.
In einer riesigen Halle tummelten sich an die 1000 Leute, die ebenfalls gespannt der Dinge harrten, die da kommen sollten. Artisten des Cirque de Soleil tanzten und wollten Stimmung mit albernen Einlagen verbreiten, Freiwillige, die dabei mitmachten, mussten die Darsteller jedoch mühevoll aus der Menge zerren - der Funke wollte nicht recht überspringen.
Dann hörte die Clownerei endlich auf und es folgte eine schier endlos lange Wartezeit und Unmut machte sich breit. Irgendwann ging Musik los, Artisten bahnten sich den Weg durch die Menge und ein durchaus eindrucksvoller künstlicher Elefant mit eingebautem Bildschirm im Oberschenkel stolzierte durch die Menge. Nett.
Doch worum ging es hier eigentlich? Ach ja: Eine mysteriöse Stimme aus dem Off faselte etwas von Evolution und dass der Spieler nun der Controller sei. Nun begann eine Show, in deren Zentrum der endgültige Name der bislang als Project Natal bezeichneten Bewegungssteuerung für Xbox 360 stand: Kinect - ein wenig einprägsamer Worthybrid aus "Connect" und "Kinetic".
Vor uns befand sich in einigen Metern Höhe ein freischwebendes Wohnzimmer mit weißem Rahmen. Darin saß eine gecastete Frohsinnsfamilie, die quälend langwierig und erschreckend peinlich spielte. Erst noch mit Controller, doch bald mit der neuen Kinect-Technik. Ab hier überschlugen sich die Peinlichkeiten im Minutentakt. Auf großen Leinwänden waren Szenen aus Kameo und einem Fun-Racer zu sehen, bald auch ein Familiensportspiel, wie es Wii-Spieler schon seit vier Jahren kennen. Leider hat Microsoft hierbei großzügig geschummelt, denn die Bewegungen auf Schirm und beim Spieler waren höchst asynchron, mitunter agierte der Avatar noch vor dem Spielenden. Hmm... Darüber hinaus waren auf den Leinwänden die Frontansichten der Spielfamilie zu sehen, doch im Hintergrund regierte Schwarz, wo eigentlich die Leinwand der Halle zu sehen gewesen sein müsste. Welch plumpe Schummelei. Auf dem Niveau der Hugo-Show von Tele 5 ging es weiter, als der Sohn der Daddelsippe im Schlauchboot Punkte sammelte und Hindernissen auswich. Doch warum bewegte sich das Boot nach links, als der Knabe nach rechts auswich?
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Show fehlte es an Dramaturgie und Timing. Die gezeigten Szenen waren zu lang, zu repetitiv und ohne Witz. Selbst als ein putziger Tiger in einer virtuellen Landschaft herumtollte und sich promp am Bildschirm abstützte, dachte ich nur an EyePet und Nintendogs. Auch das unscharfe Video an der Decke begeisterte mich nicht, die finale Botschaft dieses millionenschweren Budenzaubers machte mich lachen: "Everybody wins, what a great day". Unser Fazit zu dieser Veranstaltung hingegen muss lauten: Seit Kevin Costners Waterworld hat niemand mehr so effektvoll solche Unsummen versenkt. Epic Fail, Microsoft!
P.S.: Was die einzelnen Produkte betrifft, die via Kinect spielbar sind: Sobald wir selbst Hand anlegen können, erfahrt Ihr mehr. Ach ja, die weißen Gewänder dienten zur schicken Untermalung der Show, denn die Schulterpolster leuchteten auf Kommando mal grün, mal bläulich. Nett anzusehen, mehr aber nicht.
http://www.maniac.de/content/project-natal-neuer-name-und-peinliche-weltpremiere-la